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15. Januar 2013 2 15 /01 /Januar /2013 23:45

Einige ihrer Mitmenschen haben in Gesche Gottfried den „Engel von Bremen“ gesehen, der sich liebevoll um kranke Verwandte und Bekannte kümmerte. Doch in Wirklichkeit war sie überhaupt erst der Grund, warum ihre Ehemänner, Eltern, Freunde, Gläubiger und sogar Kinder qualvoll starben. Der reale Kriminalfall lebt nun sehr überzeugend als Hörspiel wieder auf.

cover-gesche-gottfried.jpgBis zu ihrer Verhaftung vergiftete Gesche Gottfried zwischen 1813 und 1827 über 30 Menschen in Bremen. Dafür benutzte sie so genannte „Mäusebutter“, die mit Arsen versetzt ist. Das besonders Erschreckende ist, dass sie selbst dafür keinerlei Gründe nennen wollte oder konnte – und dass niemand ihr Einhalt gebot.

Der zuletzt genannte Aspekt interessierte Regisseur Markus Hahn vor allem an diesem Fall, so dass er ihn als Hörspiel umsetzen wollte. Er erkennt darin eine erschreckende Aktualität: „Auch wir leben in einer Gesellschaft des Wegschauens, in der Verantwortung gerne abgeben wird. Wir kümmern uns lieber um kleine schwarze Kästen in unseren Händen als um unsere reale Mitwelt. Aber sind wir heute nicht eigentlich privilegiert, mehr zu sein?“

Crime Scene Bremen

Das Hörspiel basiert auf einer Vorlage des Autors Peer Meter, für die er wie im Untertitel beschrieben die Original-Protokolle „des Criminalgerichts in Untersuchungssache wider die Giftmischerin Gesche Margarethe Gottfried im Jahre des Herrn 1828“ verwendete. Seit 1988 beschäftigt er sich mit dem realen Kriminalfall der Gesche Gottfried. So schrieb er darüber ein Theaterstück, mehrere Sachbücher und ein Comic.

Verstärkt wird der Bezug zu den realen Vorkommnissen noch durch das umfangreiche Booklet, das unter anderem Originaldokumente zeigt. Markus Hahn ist davon überzeugt, dass alles, was es zu sagen gibt, sich dem Publikum aus dem Hörspielbuch erschließt. Aber die Informationen des Booklets umspielen das Gesagte noch einmal: „Sie zeigen eine gewisse Referenz auf die Authentizität des Gesagten – wir lassen tatsächlich historische Worte und Begebenheiten sprechen. Großartig adaptiert, zusammengefügt und ’übersetzt’ – aus der damals teils schnell dahingekritzelten Kurrentschrift – von Peer Meter.“

Volkes Stimme(n)

Für die Vertonung konnten einige der bekanntesten Stimmen Deutschlands gewonnen werden. David Nathan, vor allem bekannt als Synchronspecher von Johnny Depp, befragt als Senator Droste die gefangene Mörderin (vielschichtig interpretiert durch Ariane Seeger).

Die Verhör-Szenen wechseln sich dabei immer wieder mit Aussagen von Bürgern und Bürgerinnen Bremens ab, die ihre Meinung über und Erfahrungen mit Gesche Gottfried abgeben. Dabei sind unter anderem Felix Isenbügel (spielte bei ’GZSZ’ den Carsten Reimann), Gisela Fritsch (bekannt als Reporterin Karla Kolumna aus ’Benjamin Blümchen’) und Helmut Krauss (spielt in ’Löwenzahn’ den Nachbarn Hermann Paschulke) zu hören.

Oliver Rohrbeck (dessen bekannteste Hörspielrolle natürlich immer noch Justus Jonas bei ’Die drei Fragezeichen’ ist) gibt zum Beispiel in der Rolle eines Arztes an, dass er statt der Vergiftungen unter anderem Cholera, rheumatische Herzentzündungen und heftige Darmentzündungen diagnostiziert hätte.

Vorhang auf für mehr

Um die Intensität der Gespräche zu verstärken, ließ Markus Hahn die Sprecher vorher proben und dann gemeinsam ihre Texte einsprechen: „Das gemeinsame Lesen und Performen im Studio war eine spannende Herausforderung für alle, mit viel mehr interpersoneller Spannung, als wenn die Sprecher separat voneinander aufgenommen worden wären.“

Zur Premiere am Freitag, den 18. Januar 2013, im Filmtheater am Friedrichshain Berlin sind alle Mitwirkenden eingeladen. Zudem erfahren Interessierte an dem Abend auch mehr über die Produktion, die mit der ’Kulturalie’ durch eine Art Crowdfunding finanziert wird. Darüber hinaus sind weitere Aktionen geplant wie eine Veranstaltung am 7. März 2013 in der Stadtbibliothek Bremen, bevor das Ganze möglicherweise auch noch als Film umgesetzt wird.

Fazit: Markus Hahn hat ’Die Verhöre der Gesche Gottfried’ von Peer Meter stimmig umgesetzt. Die Sprecher sind gut gewählt, die Dialoge authentisch und das verstörende Spiel Ariane Seegers überzeugend, die zwischen mitleiderregender Verzweiflung, verwirrter Selbstanklage und kaltem Kalkül gleitend zu wechseln vermag. Was die Mörderin tatsächlich zu ihren Taten geleitet hat, müssen die Hörer am Ende selbst entscheiden. Und leicht wird das nicht gemacht.

Mehr Informationen unter: http://gesche-gottfrieds-gift.com

CD voraussichtlich ab 19. Januar 2013 erhältlich.

Das könnte dazu passen:
Gruselkabinett 64 – Der schreiende Schädel
Gerhard Wisnewski – Das Titanic-Attentat

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