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2. September 2014 2 02 /09 /September /2014 22:38

Mit 'Der Vorleser' gelang Bernhard Schlink, geboren bei Bielefeld, inzwischen wohnhaft in Berlin und New York, ein internationaler Bestseller. Später wurde der Roman sogar mit Kate Winslet und Ralph Fiennes verfilmt. Ob ihm das auch mit 'Die Frau auf der Treppe' gelingt, bleibt abzuwarten. Ein unterhaltsames Stück Literatur ist ihm damit allemal geglückt.

cover-bernhard-schlink-die-frau-auf-der-treppe.jpg'Die Frau auf der Treppe' ist Irene. Der Ich-Erzähler begegnet ihr Ende der Sechziger Jahre in Frankfurt am Main als junger Rechtsanwalt. Zwischen dem Maler Karl Schwind und dem Auftraggeber Peter Gundlach ist ein erbitterter Streit darum entbrannt, wem das Akt-Bild gehört. Beziehungsweise die porträtierte Frau, denn die ist quasi mit dem Künstler durchgebrannt.

Recht ritterlich versucht der Jurist, Irene aus dieser Situation zu befreien, in dem sie gemeinsam das Bild klauen – doch kaum ist das geglückt, verschwindet auch die Angebetete auf Nimmerwiedersehen. Als der Sitzengelassene gut 40 Jahre später zufällig in Australien das Corpus Delicti in einer Galerie wieder entdeckt, macht er sich auf die Suche nach Irene. Dabei wird er nicht nur mit (s)einer wenig ruhmreichen Vergangenheit konfrontiert. Es wird viel mehr alles auf den Kopf gestellt, was er bisher zu glauben dachte...

Ceci n'est pas un Richter

Wer übrigens bei dem Gemälde an 'Ema. Akt auf einer Treppe' von Gerhard Richter denkt, liegt nicht ganz falsch. Am Ende des Buchs erklärt Schlink, dass er seit Jahren eine Postkarte mit dem Motiv auf dem Schreibtisch stehen hat. Vielleicht mag daher so mancher Leser denken, dass die Geschichte irgendeinen direkten Bezug dazu haben könnte. Da dem nicht so ist, stellt Schlink deshalb sicherheitshalber in einer abschließenden Anmerkung klar, dass Schwind erfunden ist. Erschwindelt, sozusagen.

Wie Richters Bild soll sich aber auch das fiktive Werk Schwinds auf 'Akt, eine Treppe herabsteigend' von Marcel Duchamp beziehen, wie Irene erklärt: „Duchamps Bild galt als das Ende der Malerei, und Schwind wollte beweisen, dass eine nackte Frau, die Treppe herabsteigend, nach wie vor gemalt werden kann.

Das Bildnis der Irene Adler

Vielleicht ist es das, was 'Die Frau auf der Treppe' so interessant macht. Viele kleine Versatzstücke, die beim Lesen immer neue Assoziationsketten auslösen können. So nennt sich die Flüchtige später Irene Adler – eine Name, den sich Arthur Conan Doyle einst für Sherlock Holmes' faszinierende Gegenspielerin in 'Ein Skandal in Böhmen' ausdachte. Und wie in 'Das Bildnis des Dorian Gray' erleidet das Porträt an ihrer Stelle Verletzungen – bloß weniger schauerlich-fantastisch, sondern eher im übertragenden Sinne.

Für die Umschlagillustration hat sich der Diogenes Verlag hingegen für 'Les Pins, Effet de Soleil, St. Tropez' von Francis Picabia entschieden. Vielleicht ging es nicht anders. Aber vielleicht ist es auch ein weiteres Puzzle-Teilchen für diejenigen, die mehr in 'Die Frau auf der Treppe' entdecken wollen, als die nackte Oberfläche verrät.

Fazit: Vieles wird bei 'Die Frau auf der Treppe' nur angedeutet, Einiges wirkt konstruiert. Trotzdem – oder gerade damit – gelingt es Bernhard Schlink, den Leser mit seiner unterhaltsamen, kurzweiligen Geschichte zu fesseln. Am Ende muss sich aber jede sein eigenes Bild davon machen. Und ob es gefällt, bleibt Ansichtssache. Denn: „Kunst“, so beschrieb es einst der Maler Paul Klee, „gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“

Roman seit 27. August 2014 im Handel erhältlich.

Mehr Informationen unter: http://diogenes.ch/leser/autoren/a-z/s/schlink_bernhard/

Das könnte dazu passen:
Christian Morgenstern – Alle Galgenlieder
Wiederveröffentlichungen diverser Buchkritiken zum Welttag des Buches
Sherlock Holmes – Ein Skandal in Böhmen (Hörspiel)

Bernhard Schlink live und in Farbe...

September 2014: 11.09. Berlin – Berliner Ensemble (Buchpremiere, Moderation: Thea Dorn) *** 13.09. Bremen – Radio Bremen Weserhaus (Live-Lesung aus dem Roman 'Sommergäste' mit Publikum, Moderation: Ulrike Petzold) *** 18.09. München – Literaturhaus München (Moderation: Felicitas von Lovenberg ) *** 19.09. Hamburg – Laeiszhalle (Kleiner Saal, Lesung im Rahmen des Literaturfestivals 'Harbour Front 2014', Moderation: Tilman Krause) *** 20.09. Zürich (CH) – Schauspielhaus Zürich (Moderation: Res Strehle)

Oktober 2014: 06.10. Wolfenbüttel – Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel e.V. *** 09.10. Heidelberg – Deutsch-Amerikanisches Institut (Moderation: Jakob J. Köllhofer)

November 2014: 14.11. Wien – Akademie der bildenden Künste (Aula, Lesung im Rahmen der 'Wiener Lesefestwoche 2014', Moderation: Renata Schmidtkunz) *** 15.11. Wien – Wien (Messe Wien, Halle D, ORF-Bühne, Lesung und Gespräch im Rahmen der 'Buch Wien 2014', Moderation: Katja Gasser) *** 17.11. Stuttgart – Literaturhaus Stuttgart (Lesung in der Reihe 'Autor im Gespräch', Moderation: Wolfgang Niess) *** 18.11. Düsseldorf – Düsseldorfer Schauspielhaus *** 2011. Frankfurt/Main – Literaturhaus Frankfurt (Moderation: Cécile Schortmann) *** 23.11. Leipzig – Stadtbibliothek (Lesung und Gespräch in der Reihe MDR-Lesecafé, Moderation: Michael Hametner)

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