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28. September 2014 7 28 /09 /September /2014 22:05

Nachdem er zuletzt fürs Kino beim 'Hai-Alarm im Müggelsee' die Regie des eigenen Filmdrehbuchs übernommen hatte, kehrt Leander Haußmann nun erneut ans Theater zurück. Ausgesucht hat er sich dafür eines der meistgespielten Dramen der deutschen Literatur: 'Woyzeck'. Und das Ergebnis ist sehenswert.

woyzeck-berliner-ensemble-flyer.JPGSehr gelungen ist zum Beispiel der Einfall für die Aufführung am Berliner Ensemble, den einfachen Soldaten Franz Woyzeck (gespielt von Peter Miklusz ) nicht – oder zumindest nicht nur – als Spielball einzelner, gesellschaftlich höhergestellter Individuen zu betrachten.

Stattdessen wird durch das ständige Auftreten eines Platoons, also eines Militärzugs von mehreren Dutzend Soldaten, auch Druck durch Gruppenzwang aufgebaut. Das gibt es im Original von George Büchner nicht.

woyzeck-berliner-ensemble-plakat.JPGOriginell umgesetzt ist als weiteres Beispiel auch die Szene, in der Woyzecks Freundin Marie Zickwolf (gespielt von Johanna Griebel) ihm untreu wird, im Zelt des schmucken Tambourmajors verschwindet und Fisimatenten macht. Das passt doch zur weit verbreiteten Herleitung dieses Wortes, dass es dem französischen Ausspruch Visitez ma tente“ entsprechen könnte.

Ape-o-calypse now

woyzeck-berliner-ensemble-szene.JPGÜberhaupt scheint es Haußmann Freude bereitet zu haben, 'Woyzeck' (auch) als Kritik an militärischen (Un-)Gepflogenheiten zu verstehen. Der vom Doktor (hier weiblich besetzt mit Traute Hoess) für die Untersuchungen an Woyzeck angeordnete Erbsenbrei wird bei Haußmann dem Versuchskaninchen von Kameraden quasi eingetrichtert.

Außerdem stellt Haußmann auch schon mal einen Affen in Uniform zu den anderen Soldaten. Das passt zum Vortrag des Ausrufers aus der 3. Szene Büchners, der wortreich die Attraktionen eines Jahrmarkts ankündigt: „Der Aff' ist schon ein Soldat, 's ist noch nit viel, unterst Stuf von menschliche Geschlecht!“

Haußmann nimmt sich aber auch unter anderem die Freiheit, die nach dem Tod Büchners erarbeitete Reihenfolge der Textfragmente zu ändern. Die so genannte 'Rasierszene' wird viel später eingebaut, die als 19. Szene einsortierte „Märchenstunde“ mit der Großmutter setzt er – soviel sei verraten – als eine Art letzte Traumsequenz ganz ans Ende des Stücks.

Fazit: Auch wenn vielleicht nicht alle Ideen bei seiner Inszenierung des Dramenfragments ganz zünden, schafft der 55-jährige Regisseur auf jeden Fall viele überzeugende Bilder. Vielleicht hätte es dem Ganzen gut getan, auf einige groteske Einfälle zu verzichten. Insgesamt ist Leander Haußmann aber eine unterhaltsame Umsetzung gelungen.

Mehr Infos unter: http://www.berliner-ensemble.de/repertoire/titel/101/woyzeck

Das könnte dazu passen:
Bernhard Schlink – Lesung im Berliner Ensemble
Leander Haußmann & Sven Regener – Hai-Alarm am Müggelsee
George Büchner – Woyzeck (Hörspiel)

'Woyzeck' live und in Farbe 2014:
20., 26. und 27. Oktober im Berliner Ensemble

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