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19. Januar 2015 1 19 /01 /Januar /2015 19:08

Jonas Winner ist promovierter Philosoph. Außerdem ist er ein Thriller-Autor, der mit 'Berlin Gothic' einen (gar nicht mal so) kleinen Hit landen konnte. Was liegt also näher, als bei seinem neuen Roman philosophische Fragen anhand eines eher gruseligen Settings zu behandeln?

Cover zu Das Gedankenexperiment von jonas Winner„Mir ist durchaus bewusst, dass Ihre Laufbahn an diesem Institut mit unserer Ablehnung beendet ist. Und dass Sie erhebliche Schwierigkeiten haben werden, an einer anderen Stelle unterzukommen“, lautet die niederschmetternde Einschätzung, die der junge Philosophen Karl Borchert auf seinen Forschungsantrag erhält.

Da kommt das Angebot Leonard Habichs wie gerufen. Um seine Forschungen im Gebiet Sprachtheorie und angrenzenden Disziplinen voranzutreiben, sucht er einen Assistenten, der seine Aufzeichnungen durchgeht und Wichtiges von Unwichtigem trennt.

Spontan entscheidet Karl Borchert, dass eine Auszeit irgendwo im Nirgendwo der Ostprignitz vielleicht gar keine so schlechte Idee ist. Der Weg dorthin gestaltet sich allerdings schon fast wie einem klassischen Gruselroman: Die Dorfbewohner scheinen ihn fast schon warnen zu wollen, weiterzufahren. Die holprige Straße zum Haus Urquardt führt durch eine Art steinernes Portal und das Hauptgebäude selbst hat mit seinem neogotischen Turm samt Zinnen hat einen kastellartigen, beinahe schroffen Charakter.

Der Untergang des Hauses Urquardt

Seltsame Geräusche, geheime Gänge, ein unheimlich aussehender Haushälter und die Entdeckung eines Isolationsraums tun ihr Übriges, um gruselige Stimmung aufkommen zu lassen. Rätsel gibt ihm auch Lara auf, die mindestens 30 Jahre jüngere Frau des Hausherren.

Geheimnisvoll ist zudem eine Zeichnung der 'Melencolia I' von Albrecht Dürer, die durch unzählige Wörter, Sätze und Textblöcke an einer Wand reproduziert wurde (eine Abbildung des Bildes ist übrigens im Buch enthalten). Drei Fragen sind dort in der Teufelsfratze gebündelt: „Woher weiß ich, dass ich nicht nur Schatten der Wirklichkeit sehe? Woher, dass der Dämon mich nicht täuscht? Woher, dass der Pfeil -> nicht 'Geh nach links' bedeutet?“

Bezug nehmen diese drei Fragen auf Gedankenexperimente Platons, Descartes' und Wittgensteins, nämlich auf das 'Höhlengleichnis', den bösen Dämon 'Genius malignus' und die so genannte 'Privatsprache'. Diese als Dreischritt betrachtet, ist nun die Frage, ob und wie ein vierter Schritt erreicht werden könnte – koste es, was es wolle.

Fazit: Aus realen, philosophischen Betrachtungen und einer gehörigen Portion Spannung strickt der Berliner Autor Jonas Winner ein Werk, das wie eine düstere Variante zu 'Sophies Welt' anmutet. Stilistisch greift er dabei auf die interessante Idee zurück, die Ereignisse auch rückblickend durch polizeiliche Untersuchungsberichte oder später veröffentlichte Schriften zu betrachten. Am Ende bleibt es aber dem Leser überlassen, ob er eine höhere Botschaft oder einfach eine aufregende Geschichte in 'Das Gedankenexperiment' entdeckt.

Roman seit 2. April 2014 im Handel erhältlich.

Mehr Informationen unter: http://www.droemer-knaur.de/buch/7925070/das-gedankenexperiment

Das könnte dazu passen:
Jonas Winner – Berlin Gothic
Bernhard Schlink – Die Frau auf der Treppe
Kritiken zur Hörspielreihe 'Gruselkabinett'

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